„Unser Gesundheitswesen liegt auf der Intensivstation“

FDP-Gesundheitsexperte Andrew Ullmann referiert über die Auswirkungen der Krankenhausreform

27.08.2024

v.l.n.r.: Dr. Michael Schöll, Eva Keil, Prof. Dr. Andrew Ullmann, Nicole Bauer, Dr. Heinz Kroiss

Unter dem Motto „Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum“ hielt der FDP-Gesundheitsexperte Prof. Dr. Andrew Ullmann auf Einladung der FDP Kelheim und der Bundestagsabgeordneten Nicole Bauer vor mehr als zwanzig interessierten Zuhörern in Abensberg einen Vortrag über die Auswirkungen der geplanten Krankenhausreform. Andrew Ullmann ist nicht nur langjährig praktizierender Arzt an der Universitätsklinik Würzburg, sondern als Bundestagsabgeordneter auch intim in die Verhandlungen der Reform eingebunden.

Nach einleitenden Worten der Kreisvorsitzenden Eva Keil schilderte Dr. Heinz Kroiss, langjähriger Kreisrat und 2.Bürgermeister der Stadt Abensberg die Probleme der stationären Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum aus der Sicht als Allgemeinarzt mit jahrzehntelanger Erfahrung. Dabei kritisierte er die oft schwierigen bis unfairen Rahmenbedingungen wie beispielsweise Strukturvorgaben und Mindestmengenregelungen. Diese Rahmenbedingungen würden oftmals den großen Kliniken einen Vorteil verschaffen. Er wies allerdings darauf hin, dass es bei gutem Management von Seiten der Träger und der Geschäftsführungen auch kleinen Krankenhäusern in der Nähe bis in die jüngste Zeit gelungen sei, kostendeckend zu wirtschaften. Bei den Kelheimer Häusern sei da "Luft nach oben". Den Plan des Krankenhausverbundes Mainburg/Pfaffenhofen, das Notfallgeschehen künftig in Pfaffenhofen abzudecken kritisierte er dabei aufs Schärfste: „Die Akutversorgung in Mainburg wie auch im gesamten Landkreis Kelheim muss gesichert sein.“ Gemeinsam mit seinem FDP-Kreisratskollegen Dr. Michael Schöll und 20 weiteren Kreisräten hat Kroiss einen entsprechenden Antrag im Kreistag eingebracht.

An Andrew Ullmann appellierte Kroiss, dass die Reform Entscheidungsspielräume für die Gesundheitsversorger "an der Basis" schaffen müsse, also die grundversorgenden Kliniken und Hausärzte. Die Rahmenbedingungen dürften dabei nicht vorwiegend planwirtschaftlich diktiert werden, sondern müssten vor Ort gestaltet werden - das System brauche flexiblere Rahmenbedingungen und "Luft zum Atmen".

Ein Apell, den Ullmann gerne aufnahm, denn genau dafür kämpfe er innerhalb der Koalition: „Wir wissen um die Bedeutung einer qualitativ hochwertigen medizinischen Versorgung auch in den ländlichen Bereichen und wir stehen dazu, dass wir diese ermöglichen und verstetigen wollen.“ Der Referentenentwurf sei fernab davon, spruchreif zu sein, aber er weise in die richtige Richtung.

Eine Sache sei aber auch klar: „Unser Gesundheitswesen liegt auf der Intensivstation – und ein wesentliches Problem ist die fehlende Ambulantisierung.“ Der gesamte Gesundheitssektor würde der Allgemeinheit 500 Milliarden Euro kosten, Deutschland sei Weltmeister bei der stationären Versorgung, aber die Lebenserwartung ist dennoch geringer als in vielen anderen Ländern, stellte der Universitätsmediziner fest. Vielfach würden die falschen Anreize gesetzt. Das Credo des Gesundheitsexperten ist deshalb klar: „Die Reform muss für eine flächendeckende Grundversorgung und bedarfsgerechte Spezialversorgung sorgen. Fehlanreize sowie Unter-, aber auch Überversorgung gehören beseitigt. Viele Patienten würden stationär teuer behandelt, obwohl sie ambulant genauso gut oder sogar preiswerter behandelt werden können. Deshalb müssen die stationären Krankenhausbetten reduziert werden, vor allem in Ballungsgebieten. Parallel muss die Ambulantisierung entfesselt werden. Die Länder müssten, wie es die Verfassung vorgibt, deshalb diese Reform auch nachhaltig und bürgerfreundlich umsetzen: „Die Landesregierungen müssen sich ehrlich machen und Betten reduzieren. Vielfach existiert gerade in Ballungsgebieten eine dramatische Überversorgung.“

Überhaupt habe die bayerische Staatsregierung bei der Gesundheitsversorgung der Bürgerinnen und Bürger versagt, macht Ullmann deutlich: „Bayern investierte 2023 so viel in die Krankenhäuser wie in den 90ern“. Dass sich die Staatsregierung jetzt als Verteidiger der ländlichen Gesundheitsversorgung aufspiele, nannte der Professor eine „Farce“. Anders als vielfach behauptet, sei es auch keine Aufgabe der Kommune, die Gesundheitsversorgung zu finanzieren. Jedes Jahr müssten die Kommunen eine Krankenhausumlage an die Staatsregierung überweisen, obwohl deren Finanzierung eine originäre Landesaufgabe sei, empörte sich Ullmann, der als Stadtrat in Würzburg auch die kommunale Seite im Blick hat: „In Würzburg sind es allein drei Millionen Euro. Das bindet uns vor Ort die Hände für ordinäre kommunale Aufgaben“. Zum Abschluss des Vortrages betonte Andrew Ullmann noch einmal die großen Chancen, die in einer erfolgreichen Krankenhausreform steckten: „Die Medizin hat sich in den vergangenen Jahrzehnten enorm weiterentwickelt. Die Reform ist auch eine Reaktion darauf, denn manche Eingriffe erfordern nun neue, spezifischere und teure Werkzeuge, während andere Behandlungen nun längst auch ambulant durchgeführt werden können und keinen langwierigen Krankenhausaufenthalt mehr erfordern. Eine mutige an den Patienten orientierte Reform des Gesundheitssystems ist gerade in Bayern dringend notwendig und überfällig. Ziel muss es sein, eine hochwertige, innovative und bezahlbare Patientenversorgung jetzt und in Zukunft sicherzustellen. Das gilt für den städtischen, aber auch und insbesondere für den ländlichen Raum.“

In der anschließenden Diskussion betonte die Abgeordnete des Wahlkreises Landhut-Kelheim, Nicole Bauer, die unterschiedlichen Begebenheiten von Stadt und Land: „Die große Politik hat oftmals nur die städtischen Gebiete im Blick, die ländlichen Regionen werden vergessen.“ Ein Muster, dass sich bei dieser Reform keinesfalls wiederholen dürfe: „Klar ist: Diese Krankenhausreform muss für uns in Niederbayern anders gestaltet sein als in Städten wie Berlin oder München!“

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